Gemäß §80 der Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags muss dem Plenum für die Hälfte der Wahldauer über die Behandlung der Petitionen berichtet werden. Petitionen gehen dabei vielfach über Einzelfälle hinaus, denn sie verkörpern ebenfalls das Abwehrrecht gegen den Staat, das sich in Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger ausdrückt. Daneben hat es zunehmend den Charakter eines politischen Mitwirkungsrechts erhalten mit dem Wunsch nach einem bestimmten politischen Handeln. Manche nennen es auch das Volksbegehren im Kleinen. Die vollständige Debatte kann hier nachgeschaut werden.

Meine Rede im Wortlaut – es gilt das gesprochene Wort:
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Henkel, trotz Ihrer Befürchtung ist es Ihnen tatsächlich gelungen, in sechs Minuten darzustellen, dass Sie offensichtlich nicht den Schimmer einer Ahnung vom bayerischen Petitionsrecht haben.
Gern schließe ich mich dem Dank, der an alle, die mit diesem Ausschuss zu tun haben, ergangen ist, an. Dies gilt insbesondere für unsere Frau Fiebig, die mit unseren Wünschen und Besonderheiten sehr geduldig umgeht. Ich danke auch unserem Offizianten Herrn Höhenberger. Seine bloße Anwesenheit hat eindeutig positive Effekte gerade auf die emotional geladenen Petenten, manchmal sogar auf die Mitglieder dieses Ausschusses.
Im Bayerischen Landtag sind wir sehr stolz auf die Art der Behandlung der Petition. Das betrifft die Öffentlichkeit im Petitionsausschuss und in den Fachausschüssen und das Rederecht der Petenten. Hin und wieder wird jedoch übersehen, dass Petitionen häufig über ihren konkreten Einzelfall hinaus auch eine hochpolitische Bedeutung haben. Das gilt nicht zuletzt für den Bereich des Ausländer- und Asylrechts. An dieser Stelle ist es nicht damit getan, nur auf den Bund zu zeigen, weil er gesetzliche Grundlagen geschaffen hat. In Bayern, das zwar nur für den Vollzug zuständig ist, wird deutlich, dass es eine durchaus unterschiedliche Handhabung des Vollzugs zwischen den Bundesländern gibt. In Bayern wissen wir – Herr Kollege Schwartz, das wissen auch Sie –, dass die bayerischen Ausländerbehörden ihr Ermessen zum Teil durchaus im Hinblick auf die politischen Vorgaben des Ministeriums – nennen wir es zielgerichtet – ausüben.
Deshalb kann man nicht genug darauf hinweisen, dass gerade der Petitionsausschuss ein Paradebeispiel dafür ist, dass das Parlament die Exekutive zu kontrollieren hat und nicht umgekehrt. Die Spitze der Exekutive ist nun einmal die Staatsregierung. Tatsächlich aber findet zu jeder Petition vor ihrer Behandlung ein sogenanntes Briefing statt. Die Vertreter der Ministerien machen die Mitglieder der CSU und der FREIEN WÄHLER vor jeder Petition darauf aufmerksam, mit welchen Ergebnissen aus Sicht der Ministerien der jeweilige Einzelfall doch bitte schön entschieden werden möge. Meist heißt es dann: 80/4, erledigt mit Erklärung der Staatsregierung. Das heißt letztlich nichts anderes als: Folgen Sie bitte umgehend der Staatsregierung.
Diese Vorausschusssitzung, die die Gewaltenteilung strukturell ein wenig zu ändern versucht, würde aber niemanden stören, wenn sie nicht immer bis zur letzten Sekunde vor Beginn des Ausschusses im dazugehörigen Saal ausgereizt würde. Daher meine freundliche Bitte an die Damen und Herren der Mehrheit: Vielleicht könnten Sie doch fünf Minuten vor Beginn der Ausschusssitzung aufhören, damit wir von der Opposition gerade in Corona-Zeiten nicht gezwungenermaßen artig vor dem Saal warten müssen, bis die Handlungsanweisungen der Staatsregierung gegenüber der CSU und den FREIEN WÄHLERN ergangen sind.
Tatsächlich ist das Petitionsrecht in seiner ursprünglichen Absicht ein Abwehrrecht gegen den Staat, das sich in Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger ausdrückt. Daneben hat es zunehmend den Charakter eines politischen Mitwirkungsrechts erhalten mit dem Wunsch nach einem bestimmten politischen Handeln. Manche nennen es auch das Volksbegehren im Kleinen. Daher möchte ich an diese Kontrollfunktion erinnern und erneut an alle Ausschussmitglieder appellieren, sich zunächst selber eine Meinung zu bilden, die auch mal durchaus abweichen kann von der der Staatsregierung, deren Handeln wir insoweit zu überprüfen haben. Es liegt an uns, wie wir damit umgehen, ob wir Akteneinsicht beantragen oder einen Ortstermin anberaumen. Letzteres geschieht häufig im Petitionsausschuss und erweist sich – sagen wir manchmal – als sinnvoll. Vom Recht auf Akteneinsicht machen wir dagegen so gut wie nie Gebrauch. Das könnten wir aber jederzeit ändern.
Trotz dieser Handhabung zwischen Staatsregierung und Mehrheit im Ausschuss sehe ich aber durchaus die ungeheure Arbeit, die hinter den Stellungnahmen der Ministerien steht. Dafür danke ich den Beamtinnen und Beamten herzlich. Sollte ich manchmal zu lange und zu deutlich, möglicherweise sogar zu vehement nachfragen, vor allem bei den Beamtinnen und Beamten des Innenministeriums, bitte ich Sie herzlich, das nicht persönlich zu nehmen – falls Sie jetzt gerade zuhören.
Ein nicht unwesentlicher Teil der Arbeit sind die Petitionen aus dem kommunalen Bereich. Hier hat sich leider Folgendes eingebürgert: Kommt der Wunsch nach Ortsterminen von der Opposition, wird er nicht selten von der CSU und den FREIEN WÄHLERN mit Abscheu und Empörung als populistisch gebrandmarkt. Umgekehrt gilt derselbe Wunsch aber, wenn er von der Mehrheit geäußert wird, als Mittel zur sachdienlichen Aufklärung. Insgesamt scheint es also häufig darauf anzukommen, welche Petition in welchem Stimmkreis oder Wahlkreis welches Abgeordneten spielt. Vielleicht gelingt es uns ja doch künftig im Ausschuss, kollegial eine ordentliche Lösung zu dieser Thematik zu finden. Nur wenn ein Ortstermin mit Aussicht auf das Wahrnehmen einer Vermittlerfunktion stattfinden kann unter Wahrung der kommunalen Planungshoheit – Achtung, Herr Duin –, kann er sinnvoll sein, nicht aber wenn es um den Wunsch zur Selbstdarstellung geht – egal von welcher Seite – oder gar um den Versuch der Einflussnahme auf die Kommunen. Herr Kollege Duin und ich führen durchaus angeregte Gespräche zu dieser Thematik, aber er kommt nachher noch dran.
Zum Abschluss das Positive: Jedes Mitglied im Petitionsausschuss ringt um Einzelfälle und niemand von uns macht es sich leicht in dem Bewusstsein, dass es oft um menschliche Schicksale geht. Ich will nicht sagen niemand. Herr Henkel hat gesagt, dass es sich fast niemand leichtmache. Dass Mitarbeit hierbei zumindest teilweise auch über Fraktionsgrenzen hinaus möglich ist, zeichnet diesen Ausschuss aus meiner Sicht durchaus besonders aus. Der maßgebliche Kommentator zum Bayerischen Petitionsgesetz, der Leitende Ministerialrat Dr. Klaus Unterpaul, hat es auf den Punkt gebracht: Petitionen sind der Dialog zwischen Repräsentanten und Repräsentierten. Dieser Dialog ist gerade in Zeiten von Fake News, von Politikverdrossenheit und angesichts der Ablehnung unseres Rechtsstaats von vielen Menschen wichtiger als je zuvor. Der Petitionsausschuss erfüllt hier eine ganz besondere Aufgabe