Anlässlich des 75. Jubiläums der Bayerischen Verfassung hat die BayernSPD-Landtagsfraktion einen Dringlichkeitsantrag (Drs. 18/19294) eingebracht, in dem sie vielfältige, substantielle Maßnahmen zur Stärkung und Unterstützung der wehrhaften Demokratie fordert. Im Gegensatz zum Antrag der Regierungsfraktionen der CSU/Freien Wähler wird der „Vater der Verfassung“, Wilhelm Hoegner, für sein Schaffen und seine Verdienste angemessen gewürdigt. Die vollständige Debatte kann hier geschaut werden.

Meine Rede im Wortlaut – es gilt das gesprochene Wort:
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank, Herr Gotthardt, angesichts Ihres engagierten Vortrags ist einem ja fast die Brille beschlagen.
Wir haben Ihren Antrag dennoch mit etwas Überraschung zur Kenntnis genommen. Wir sind überrascht, wenn die Staatsregierung plötzlich gebeten wird, Präventions-, Jugend- und Bildungsprojekte zu prüfen; denn das sind allesamt Projekte, die ich und meine Fraktion seit Jahren gefordert haben. Sie wurden von der Mehrheit in diesem Hause aber immer wieder abgelehnt, auch von den FREIEN WÄHLERN, seitdem sie in diesem Hause sind.
Wir haben uns seit Jahren, wenn nicht sogar seit Jahrzehnten mit konstruktiven Forderungen zum Schutz einer lebendigen und wehrhaften Demokratie eingebracht. Dazu gehören Initiativen zur Demokratieerziehung gerade, aber nicht nur in der schulischen Bildung. Dazu gehören Maßnahmen, die die Zivilgesellschaft gegen die vielen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit schützen. Genauso gehören dazu Präventionsmaßnahmen gegen extremistische Szenen und ebenso ernsthafte Ausstiegsprogramme.
Nun, da viele Menschen also ihr Vertrauen in den Staat verloren haben und ihn immer heftiger ablehnen, greifen die Regierungsfraktionen überraschenderweise auf all das zurück, was sie bei uns in der Vergangenheit immer abgelehnt haben – aber immerhin: besser spät als nie. Warum das alles? – Weil die Verfassung Geburtstag hat. Heribert Prantl hat dazu geschrieben:
Es ergeht den Leuten damit wie mit der Oma im Altersheim. Dass man sie hat,
merkt man vor allem dann, wenn sie Geburtstag feiert.
Nun wollen Sie, die Herrschaften von den FREIEN WÄHLERN und der CSU, mit diesem Antrag gerne mitfeiern. Das ist quasi ein Geburtstagsantrag. Sie haben aber vergessen, von wem die Bayerische Verfassung eigentlich wesentlich gestaltet worden ist – um im Bild zu bleiben –, wer sie mit zur Welt gebracht hat.
Sie haben vergessen, zu erwähnen, dass es der Sozialdemokrat Wilhelm Hoegner war, der aus dem von den Nazis erzwungenen Exil zurückkehrte und die maßgeblichen Verfassungsentwürfe mitbrachte. Durch ihn, durch seine Entwürfe wurde der entscheidende Grundstein für eine Verfassung gelegt, die starke Demokratinnen und Demokraten will, eine Verfassung, die in ihrer Präambel dauerhaft für die Segnungen des Friedens, der Menschlichkeit und des Rechts eintritt.
Dieses großartige Werk wurde durch Wilhelm Hoegner und durch die Männer und Frauen in der zerbombten Aula der Münchener Universität in Wintermänteln und in Rekordzeit vorbereitet. Dem folgte dann die Volksabstimmung.
Wir finden es deshalb, mit Verlaub, etwas armselig, dass Sie Wilhelm Hoegner in Ihrem Antrag nicht einmal erwähnen, und zwar nur deshalb, weil er Sozialdemokrat war, ihn, der 1933 zweimal den Mut hatte, gegen das Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten zu stimmen, wie das auch alle anderen Parlamentarier der SPD-Fraktion taten. Deshalb erinnern wir an ihn und feiern ihn zusammen mit der Verfassung.
Wenn Sie, von den FREIEN WÄHLERN und der CSU, die Verfassung wirklich leben wollen, dann stimmen Sie unserem Antrag zu. Wir feiern dann gerne gemeinsam.
Wir werden uns beim Antrag der FREIEN WÄHLER und der CSU enthalten, weil unser Antrag die eindeutig substanzielleren Forderungen enthält. Für unseren Antrag bitten wir um Zustimmung, für eine lebendige Verfassung und zum Wohle einer freien und offenen Demokratie.
Dem Antrag einer Partei, die Umsturz und Bürgerkriegsfantasien hat, die Aussagen trifft, dass die gesamte Politik brennen solle, stimmen wir schon aus prinzipiellen Gründen nicht zu.