Vor dem Hintergrund der weitreichenden Proteste für Frauen- und Menschenrechte im Iran als Reaktion auf den Tod von Jina (Mahsa) Amini, hat die BayernSPD-Landtagsfraktion einen Dringlichkeitsantrag als Solidaritätsnote in den Bayerischen Landtag eingebracht. Nach anfänglicher Ablehnung zeichnete sich bei allen demokratischen Fraktionen im Hohen Hause ein Konsens zur Solidarisierung mit den protestierenden Menschen im Iran und weltweit ab. Somit fand sich eine fraktionsübergreifende Mehrheit für Ziffer 1 und 2 gemäß des Antrags. Obwohl der bayerische Innenminister zeitgleich zur Einlegung des Antrags die Aussetzung von Abschiebungen – mit der Ausnahme von schweren Straftäter:innen – in den Iran verkündete, fand sich dennoch keine Mehrheit für den ebenfalls im Antrag geforderten Abschiebestopp gem. § 60a Abs. 1 Satz 1 Aufenthaltsgesetz. Die vollständige Debatte kann hier geschaut werden.

Meine Rede im Wortlaut – es gilt das gesprochene Wort:
Kolleginnen und Kollegen!
Wir legen heute einen Dringlichkeitsantrag vor, bei dem ich ernsthaft hoffe, dass Sie nicht nur zuhören, sondern dass sich zumindest die demokratischen Fraktionen in diesem Hohen Haus ausnahmsweise mal zu einer Einmütigkeit werden vereinen lassen.
Wir hoffen auf Einmütigkeit in diesem Haus gegen die fundamentale Unterdrückung der Frauen- und Menschenrechte im Iran. Wir hoffen auf Zustimmung – auf Ihre Zustimmung – zu der Forderung nach EU-Sanktionen gegen die Gewalt der iranischen Sicherheitskräfte und auf eine klare Haltung und einen positiven Einsatz auch bei der kommenden Innenministerkonferenz, zusammen auch mit anderen Bundesländern, für einen bundesweiten Abschiebestopp.
Im Hinblick auf die zahlreichen Bundesländer, die sich schon in diesem Sinne positioniert haben, will ich vor allem auf Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen hinweisen – beides unionsgeführte Länder. Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat am 30.09. dieses Jahres einstimmig einen Dringlichkeitsantrag aller Fraktionen beschlossen – einstimmig, wohlgemerkt –, in dem die Initiative der Bundesregierung zur Solidarisierung mit den Menschen im Iran begrüßt wird. Gleichzeitig wird auch in Schleswig-Holstein ein bundesweiter Abschiebestopp gefordert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum sollten wir im Bayerischen Landtag nicht
ebenso handeln können wie fraktionsübergreifend der Schleswig-Holsteinische Landtag und wie vergleichbar etliche andere Bundesländer?
Die Protestbewegung im Iran kämpft gegen die tiefgreifende Unterdrückung von Frauen- bzw. von Menschenrechten insgesamt. Die Menschen dort sind an einem Punkt angekommen, wo sie lieber ihr Leben riskieren, als weiter in einer Diktatur zu leben. Wir als Deutsche sollten dies in Erinnerung an 1989 nachempfinden können.
Es ist der Beginn einer Revolution, die, so die iranische Filmproduzentin Minu Barati, nichts mit Religion zu tun hat. Es demonstrieren im Übrigen auch Frauen mit Kopftuch. Tatsächlich geht es vor allem darum, wie ein Volk, dessen fundamentale Menschenrechte so lange systematisch unterdrückt wurden, leben will. Es geht also um Freiheit. Warum sollten wir also im Bayerischen Landtag nicht ebenso die Entschließung des Europäischen Parlaments bekräftigen, in der es unter anderem heißt:
Das Parlament – Zitat –: bringt seine Solidarität mit den jungen Iranerinnen zum Ausdruck, die trotz der Schwierigkeiten und persönlichen Konsequenzen, die sie erleiden, die Proteste anführen und daran teilnehmen; unterstützt die friedliche Protestbewegung im gesamten Land, die gegen […] die schweren und massenhaften Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten demonstriert. Soweit das Europäische Parlament. Wir meinen, eine solche Erklärung gebührt auch dem Bayerischen Landtag.
Die EU-Länder haben sich – die Meldung kam vor 20 Minuten – im Übrigen auf neue Sanktionen gegen den Iran geeinigt. Die Außenminister der EU werden sie am Montag beschließen. Zeitgleich mit Einreichung unseres Antrags hat der bayerische Innenminister gegenüber der Presse mitgeteilt, dass Bayern Abschiebungen in den Iran vorerst aussetzen wird. Wir begrüßen dies ausdrücklich.
Wir gehen davon aus, dass dies einem formalen Abschiebestopp nach dem Aufenthaltsgesetz von mindestens drei bis sechs Monaten entspricht – mit Einvernehmen des Bundesinnenministeriums gegebenenfalls länger. Die Ausnahme für Straftäter darf hierbei aber auch wirklich nur bei schweren Straftaten gelten und nicht bei Verurteilungen wegen unerlaubter Einreise oder wegen Passlosigkeit, die ja naturgemäß sehr viele Flüchtlinge betrifft.
Im Vorfeld der Innenministerkonferenz Ende November, bei der Bayern den Vorsitz hat, gehe ich davon aus, dass es einen aktualisierten Lagebericht vom Auswärtigen Amt geben wird, wie durchaus zu Recht angeregt wird. Allerdings möchte ich schon mal darauf hinweisen, dass das Bundesinnenministerium durch Verweis auf die Innenministerkonferenz genau das tut, was Bayern zumindest seit den letzten Bundestagswahlen immer fordert, nämlich die Einbindung der Länder verursacht. Deshalb wäre eine Initiative aus der Breite der Bundesländer, wie sie der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius einbringen will, richtig und wichtig, und es wäre angemessen, wenn sich die Bayerische Staatsregierung hier mit an die Spitze der Bewegung stellen würde.
Die aktuellen presseöffentlichen Äußerungen des bayerischen Innenministers Herrmann lassen das hoffen und vermuten. Ich bedaure, dass er heute Abend nicht hier ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht bei diesem Antrag nicht um parteipolitisches Wahlkampfgeplänkel. Es geht um nichts weniger als um die Unterstützung der unfassbar mutigen Menschen im Iran, die dem Frieden und einer demokratischen Entwicklung im Iran und der dortigen Region und damit der Welt dienen soll.
Eine – ich glaube schwedische – Abgeordnete im Europäischen Parlament hat sich bei der Debatte zur Solidarisierung mit dem Iran eine Haarsträhne oder eine Locke abgeschnitten. Ich will Sie dazu nicht auffordern, zumal das zum Teil in diesem Hause auch subjektiv vermutlich unmöglich wäre und es – zumindest was die Haare angeht – an der Substanz fehlen würde. Ich bitte Sie aber stattdessen umso deutlicher: Springen Sie über Ihren Schatten! Stimmen Sie diesem, unserem tatsächlich friedlichen Antrag zu, und lassen Sie uns gemeinsam eine derartige Resolution im Sinne dessen, was der bayerische Innenminister ohne Zweifel erklärt hat, und diesen Antrag beschließen! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.