Der Gesetzesentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Aufnahmegesetzes (Drs. 18/17529) schafft unter anderem die Datenverarbeitungsgrundlage zur Einführung einer sogenannten Bezahlkarte. Eine Einführung solcher bargeldloser Leistungen sind dabei kritisch zu betrachten, da sie die Betroffenen entmündigen und eine erfolgreiche Integration erheblich erschweren. Die vollständige Debatte kann hier geschaut werden.

Meine Rede im Wortlaut – es gilt das gesprochene Wort:
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf stellt jetzt endlich klar, was schon seit Jahren hätte passieren können und müssen. Es wird nämlich bestätigt, dass auch in Bayern Familien mit minderjährigen Kindern nur für die Dauer von maximal sechs Monaten verpflichtet sind, in Gemeinschaftseinrichtungen zu wohnen, aber nicht länger. Bei allem Respekt, Herr Kollege Straub, mit Unwissenheit hatte das nichts zu tun. Das war schon vor-
her so. Schon seit dem Geordnete-Rückkehr-Gesetz war das so. Nebenbei bemerkt, hier hat sich gezeigt, wie sinnvoll es sein kann, wenn Expertenanhörungen von der Opposition einberufen werden wie etwa die Anhörung, die auf Antrag meiner Fraktion, der GRÜNEN und der FDP am 26. September 2019 durchgeführt wurde. Dort ist nämlich von allen Sachverständigen deutlich kritisiert worden, dass in Bayern die Zeit, in der Familien mit minderjährigen Kindern in Gemeinschaftsunterkünften wohnen, viel zu lange ist. Es wurde darauf hingewiesen, dass eben nur sechs Monate zulässig sind. Jetzt wird das endlich ins Aufnahmegesetz aufgenom-
men. Das hätte man schon eher wissen können.
Weiter enthält der Entwurf in seinem neuen Artikel 9 eine Datenverarbeitungsgrundlage zur Einführung dieser nun schon mehrfach genannten Bezahlkarte. Damit werden schon etliche Probleme geschaffen. Zum einen ist es schlicht nicht denkbar, dass überall derartige zusätzliche Kartenlesegeräte verfügbar sein werden. Derart ausschließlich bargeldlose Leistungen auf einer extra dafür erfundenen Prepaid-Geldkarte sind für die Betroffenen entmündigend und diskriminierend. Zudem werden durch ein solches System die Integration sowie die praktischen
Möglichkeiten zur Teilnahme am gesellschaftlichen und kulturellen Leben maßgeblich erschwert. Viele Fragen bleiben offen, Herr Kollege Hold.
Der externe Dienstleister wird Kosten verursachen. Wer trägt denn die? Wird es noch einen Barbetrag geben? Sie selber haben in der Ersten Lesung angekündigt, diese Fragen kritisch zu verfolgen. Wie hoch genau soll aber der Bargeldbetrag nun sein? Was wird mit Käufen auf Flohmärkten und Kinderbedarfsbörsen sein? Was ist mit einem Eis am Kiosk? Was ist mit dem solidarischen Mitbringen von Waren aus weiter entfernt liegenden Supermärkten für andere Geflüchtete, wenn der Warenwert zwar über die Karte ausgelegt, aber nicht mehr zurückerstattet werden kann? Was ist mit dem ÖPNV, dem Pausenbrot auf dem Schulhof und der Brotzeit beim Dorffest? – Ich bezweifle sehr, dass dort überall Kartenlesegeräte zur Verfügung stehen werden.
Im Jahr 2016 hat man es in Erding mit der als Kommunalpass bezeichneten Karte versucht. Das Beispiel zeigt, wie viele Probleme entstanden sind. 2019 gab es übrigens erste Sondierungen zwischen dem Innenministerium und ausgerechnet dem untergetauchten Wirecard-Vorstand Marsalek. Diese Geldkarte, die von den Unternehmen Sodexo und Wirecard herausgegeben wurde, funktioniert naturgemäß seit der Wirecard-Pleite im Juni 2020 nicht mehr. Im Mai 2021 wurde in Erding, wo der Modellversuch stattgefunden hat, das Verfahren auf Banküberweisungen der Leistungen umgestellt. Warum sollte man jetzt davon wieder abweichen?
Fraglich ist für uns nicht zuletzt die Begründung im Gesetzentwurf, wo es heißt, die Chipkarte und die Beschränkung von Bargeld würden die sogenannten Pulleffekte und die Schleuserkriminalität verhindern. Abgesehen davon, dass der Pulleffekt wissenschaftlich höchst umstritten ist, kann doch wirklich niemand in diesem Hause und auch nicht in der Staatsregierung ernsthaft glauben, dass die hier ausbezahlten Asylbewerberleistungen über eine derartige Karte Menschen dazu bringen würden, im Mittelmeer ihr Leben aufs Spiel zu setzen, um auch eine solche Chipkarte zu erhalten.
Deshalb lehnen wir den Gesetzentwurf ab. Dasselbe gilt für die Änderungsanträge von der ganz rechten Seite dieses Hauses. Sie strotzen wieder einmal vor Missachtung der Menschenrechte gegenüber anderen Menschen und gegenüber Geflüchteten. Etwas anderes als eine Ablehnung ist hier wie immer nicht denkbar. – Vielen Dank.