Die vollständige Debatte kann hier geschaut werden.

Meine Rede im Wortlaut – es gilt das gesprochene Wort:
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen!
Grund für die Behandlung dieser Eingabe im Plenum ist der am 21.06.2023 im Petitionsausschuss erfolgte Ablehnungsbeschluss für die Petition der Rechtsanwältin Frölich und des Herrn Buchhart. Inmitten dieses Falles steht ein pakistanischer Staatsangehöriger, Herr G., der seit zehn Jahren in Deutschland lebt und über viele Jahre bei einer Bäckerei in Passau gearbeitet hat. Dort wird er als anerkannter, integrer und stets hilfsbereiter Mitarbeiter geschätzt. Seit dem plötzlichen Entzug seiner Arbeitserlaubnis, die vorher jahrelang ohne Probleme immer wieder verlängert worden war, haben sich seine bisherigen Arbeitgeber und ein Ehrenamtlicher aus der Flüchtlingsbetreuung ebenso wie seine Rechtsanwältin mit hohem Engagement dafür eingesetzt, dass er einen Aufenthaltstitel und eine Arbeitserlaubnis erhält. Er selber hat sich in überragender Weise für die Pflege und Unterstützung eines alten Herren, eines pensionierten Schulrektors, eingesetzt, der ohne diese Hilfe schon seit Längerem nicht mehr allein zu Hause hätte leben können. Herr G. hat sich wegen der zu wenig vorhandenen Deutschkurse selber Deutsch beigebracht, seinen Führerschein gemacht und war und ist ein geachtetes Mitglied der Passauer Zivilgesellschaft. Obwohl er in der Vergangenheit noch keinen Pass vorlegen konnte, gilt seine Identität mithilfe einer pakistanischen ID-Card unstrittig als geklärt. Ein Pass ist beantragt und wird Ende dieses Monats da sein.
Der Petitionsausschuss hat am 21.06. im Beisein der Petenten eine lange Diskussion dazu geführt. Hierbei wurde aus Sicht der die Staatsregierung tragenden Fraktionen der Umstand hervorgehoben, dass dem betroffenen Flüchtling eine Verurteilung wegen unerlaubter Einreise und wegen einer zerbrochenen Fensterscheibe zur Last gelegt worden sei. Mit der zum Zeitpunkt der Ausschusssitzung vorliegenden Stellungnahme der Staatsregierung wurde die Erteilung eines Aufenthaltstitels unter anderem deshalb abgelehnt. Dazu wurde bestritten, dass Integrationsleistungen vorlägen, und trotz geklärter Identität wurde von der Mehrheitsfraktion hauptsächlich auf den fehlenden Pass abgestellt. Auch die Zusicherung der Bäckereiinhaberin im Ausschuss, wonach eine unbefristete Vollzeitarbeitsstelle mit dem Gehalt eines ausgelernten Bäckergesellen – 2.000 bis 2.500 Euro im Monat – angeboten wurde, änderte nichts an der Haltung der Mehrheit im Ausschuss.
Eine Minderheit aus SPD und GRÜNEN hat dagegen ebenso wie die bevollmächtigte Rechtsanwältin sehr deutlich darauf hingewiesen, dass die genannten Taten schon lange zurückliegen und nach fünf Jahren – damit schon seit 2022 – getilgt und im Bundeszentralregister gelöscht sind. Weitere Straftaten lagen nicht vor. Aus Sicht der Minderheit war es daher viel entscheidender, dass der Betroffene in Deutschland viele
Jahre lang Steuern und Sozialversicherung gezahlt hat und als hochgeschätzte Vollzeitkraft in einer traditionellen Handwerksbäckerei in Passau gearbeitet hatte und weiterhin dort gebraucht wird.
Bei Unverständnis seitens des völlig unbescholtenen Petenten wurde das Petitum – also Aufenthaltstitel und Arbeitserlaubnis – letztlich am 21.06. nach § 80 Nummer 4 der Geschäftsordnung des Landtags mit den Stimmen der CSU, der FREIEN WÄHLER und der AfD gegen die Stimmen von SPD und GRÜNEN bei Stimmenthaltung der FDP aufgrund der damaligen Erklärung der Staatsregierung für erledigt erklärt und somit abgelehnt. Nach Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 des Bayerischen Petitionsgesetzes haben wir heute im Plenum über diese Entscheidung des Ausschusses zu beraten und zu entscheiden.
Tatsächlich wurde wenige Tage nach der Ausschusssitzung seitens des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge ein Abschiebehindernis nach § 60 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes festgestellt. Dies ist ein – nennen wir es – glücklicher Zufall zum richtigen Zeitpunkt, der zur Rechtsfolge eines Aufenthaltstitels einschließlich der Beschäftigungserlaubnis führen sollte oder müsste.
Nach diversen Gesprächen mit Vertretern des Innenministeriums und mit dem Staatsminister direkt habe ich daher Grund zu der Annahme, dass nun entgegen dem damaligen Ausschussvotum dem Petitum zum Erfolg verholfen werden könnte. Insofern erwarte ich also gern die Rede des Herrn Staatsministers.
So weit zu meiner Berichterstattung gemäß § 103 Absatz 1 Sätze 3 und 4 der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag. Ich habe nachher in einem weiteren Redebeitrag dann Gelegenheit, meinen Antrag zum Umgang mit dem Ausschussbeschluss vom 21.06.2023 und mit der Eingabe zu stellen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen!
Ich glaube, ich habe es schon einmal gesagt, aber ich sage es auch gerne noch mal: Wenn ich von Vertretern der AfD als impertinent bezeichnet werde, dann kann ich nur sagen, für mich ist das eine Ehrenbezeugung und ich weiß, dass ich nichts falsch gemacht habe.
Nach der nun aktuellen Stellungnahme der Staatsregierung, für die ich herzlich danke, beantrage ich nach der Geschäftsordnung in Absprache mit dem Landtagsamt zum Ersten, die Entscheidung des Petitionsausschusses vom 21.06.2023 zur Petition der Rechtsanwältin Anna Frölich, EB.2255.18, betreffend die Aufenthaltsduldung und Arbeitserlaubnis für Herrn Muhammad Waqar Goraya abzulehnen bzw. dieser Entscheidung nicht zu entsprechen. Zum Zweiten beantrage ich, dass die Vollversammlung in der Folge selber entscheidet und die Eingabe aufgrund der heutigen mündlichen Stellungnahme der Staatsregierung gemäß § 80 Nummer 4 der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag für positiv erledigt erklärt. In einer Zeit, in der Fach- und Arbeitskräfte insbesondere im Handwerksbereich und in der Pflege händeringend gesucht werden, ist es für die Menschen nicht nachvollziehbar, dass Fachkräfte aus dem Ausland geholt werden, während gleichzeitig gut angelernte und geschätzte Flüchtlinge nach vielen Jahren des Aufenthalts wieder in ihre Ursprungsländer zurückgeschickt werden sollen. Auch die Menschen in Passau – allen voran der Arbeitgeber von Herrn G. und der von ihm menschlich rührend betreute alte Herr wie auch viele Vertreter*innen aus der Zivilgesellschaft und den Kirchen – haben sich daher für seinen Verbleib eingesetzt. Ich danke der Staatsregierung für die aktuelle positive Stellungnahme, die dem Rechnung trägt, und hoffe, dass wir auch im Interesse unserer Wirtschaft diesbezüglich – zumindest unter den demokratischen Fraktionen – einen gemeinsamen Beschluss fassen werden.
Lieber Herr Herrmann, sehr herzlich danke ich auch für Ihre persönlichen Worte. In 30 Jahren Tätigkeit in diesem Hohen Haus – 20 Jahre davon als Referentin und Mitarbeiterin meiner Fraktion für circa sieben Untersuchungsausschüsse; im Anschluss daran 10 Jahre im Mandat – habe ich der Staatsregierung nicht allzu oft gedankt. Nehmen Sie dies bitte als mein Abschiedsgeschenk.
Ich habe in diesem Hause über diese lange Zeit viele Veränderungen in Umgang und Stil wahrgenommen, manches zum Guten, manches nicht. Nur Gutes habe ich mit der hervorragenden Mitarbeiter- und Beamtenschaft dieses Hauses, dieses Amtes und seiner Spitze erlebt. Auch mit den Beamten der Ministerien, mit denen ich im Wesentlichen zu tun hatte – das war das Innenministerium und das Justizministerium –, insbesondere mit den Damen und Herren Landtagsbeauftragten, deren Job ich nicht für vergnügungsteuerpflichtig halte, habe ich beste Erfahrungen gemacht.
Ich danke auch meinen Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten, vor allem denen, mit denen ich zehn Jahre im Petitionsausschuss und einige Jahre im Verfassungsausschuss zusammengearbeitet habe. Lieber Herr Straub, ich danke auch Ihnen für Ihre Worte. Wir haben im Ausschuss ein unterschiedlich gestaltetes Miteinander gehabt. Ich denke aber, wir haben uns beide gegenseitig respektiert. Ihnen gebe ich gerne das Stichwort „Gewaltenteilung, Kontrolle der Staatsregierung“ für die neue Legislaturperiode mit auf den Weg.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich wünsche Ihnen allen – vor allem für einen guten Schutz unserer wehrhaften Demokratie – herzlich alles Gute. – Vielen Dank.